
Babsi Tollwut hat es mit dem Song RIO auf die Shortlist des Rio Reiser Songpreis 2021 geschafft. Folgende drei Fragen gehen auch an sie und hier ist ihre Antwort.
„Warum hast Du Dich beworben? Was sind Deine Pläne? Was bedeutet Dir Rio Reiser?“
Rio Reiser war für mich sehr früh einer der wichtigsten musikalischen Einflüsse. Mein Leben und seine Wege kreuzen sich immer wieder, das fühlte sich immer wieder sehr besonders an und als ich davon erfuhr, dass es diesen Preis Musikpreis gibt, habe ich mich einfach gewagt. Mein Lebensmotto ist sehr lange „Wir haben nichts zu verlieren, außer unserer Angst“- also rein ins Wagnis!
Hinzu kommt natürlich, dass ich mit der Musik kaum Geld verdienen kann. Die Lage hat sich durch Corona nicht verbessert und gerade, was die Produktion von Musik angeht, ist Geld eben auch leider notwendig.
Die Tatsache, dass ich nun unter den 36 Musikerinnen bin, die „weiter“ sind ist überwältigend für mich. Ich wohnte und schrieb jahrelang im Haus gegenüber des Tempelhofer Ufers 34, wo viele Jahre vorher Rio wohnte und schrieb. Bis heute setze ich mich in schlechten Zeiten immer wieder an sein Grab und irgendwie ist das ein Anlaufpunkt für mich, wo ich eine Draufsicht auf mein Leben bekommen kann. Während ich überlegt habe, was noch wichtig wäre zu sagen, fiel mir auf, dass Rio Reisers Musik auch so ein bisschen zweigleisig ist. Meine auch. Auf der einen Seite Musik für die linke Szene, für die Bewegung und auf der anderen Seite, all die Melancholie, die Traurigkeit und Nachdenklichkeit. Ich bin übrigens genau 40 Jahre minus einen Tag jünger als Rio, selbst das habe ich mal in einem Lied behandelt . Wie für alle, ist natürlich auch für mich die Corona-Lage eine Herausforderung, aber ich suche mir da so meinen Weg durch. Aktuelle habe ich meine EP „RAPISODEN“ fertig produziert, die ich komplett im Jahr 2020 geschrieben, aufgenommen etc. habe und diese wir nun am 20.05.2021 released. Damit habe ich gerade ganz gut zu tun und somit ist das ein Teil meines Plans. Aber ich bin auch schon wieder darüber hinaus am Pläne schmieden… Einer meiner Träume ist es ja, eine reine „Klavier und Rap“ EP zu machen oder eine, die komplett Crossover ist und Genres verbindet. Von Grenzen halte ich nämlich generell nicht viel, weder auf diesem Planeten, noch in der Musik. Nicht zuletzt habe ich den Traum eines Tages mal meine Musik als Vinyl zu pressen. Egal wie ich es hin und her schiebe, das ist für mich einfach zu teuer. Ich werde oft gefragt, ob es meine Musik als Platte gibt, aber leider hat es bisher immer nur für kleine Auflagen von Kassetten und CD’s gereicht. Das ist auch noch so ein Plan. Und natürlich Konzerte spielen, die Bühne und die Begegnungen, die Menschen und das Leben „unterwegs“ fehlen mir. Ich bin sehr gespannt, wie mein musikalischer Weg weiter geht und an welcher Stelle Rio wieder meinen Weg kreuzen.
Rio Reiser ist für mich eine der prägendsten musikalischen Persönlichkeiten. Ich bin Rapperin, keine Rockmusikerin. Ich stehe seit 8 Jahren auf verschieden Bühnen, in Deutschland und sogar mal in Österreich. Meistens sind es politische oder feministische Zusammenhänge, für die ich auftrete. Damit wird dann Geld für Geflüchtete, für Betroffene rechter, rassistischer oder Polizeigewalt, für den kurdischen Halbmond oder Hausprojekte gesammelt. Ich verdiene damit eigentlich kein Geld, komme wenn es gut läuft auf 0 und mache alles selber. Ich habe keinen Produzentin oder ein Label. Ich bin Musikerin, aber ich bin auch eine Linke, ich organisiere mich selber, ich kann das ganz gut .Ich habe mich sehr früh in antifaschistischen Strukturen engagiert und Rio Reiser begleitet mich seit meinem 12 Lebensjahr, so wie mich Ton Steine Scherben politisiert haben, hat mich „Rio am Piano“ durch den schlimmsten Liebeskummer hindurch manövriert. Als Frau in der Musikszene ist es oftmals nicht ganz so leicht und gerade in der deutschen HipHop-Szene schon eher schwer. Ich schreibe seit 20 Jahren Texte, das erste Mal auf der Bühne stand ich dann vor 8 Jahren. So ist das dann mit dem Schritt in die Öffentlichkeit als Frau und ich weiß durchaus, wie es ist angefeindet zu werden, von Chauvinisten, Frauenfeinden oder Nazis. Aus irgendeinem Grund fühle ich mich verbunden mit Rio und so taucht er in einigen meiner Texte auf. 2011 zog ich nach Kreuzberg, ich wohnte gegenüber des Tempelhofer Ufers 34, in welchem Ton Steine Scherben einige Jahre gelebt haben und hatte immer den Blick in die Zimmer, in denen Rio gewohnt und vorallem geschrieben und komponiert hat. Ich wusste das alles, lange bevor die Gedenkplakette angebracht wurde. Ich habe im Oktober 2019 habe ich mein erstes Album released. Da ich als Erzieherin arbeite, kein großes Gehalt habe und alles selber finanzieren musste, ist dieses Album relativ spät erst veröffentlicht worden. Alles selbst organisiert, finanziert, die Beats z.T. selber produziert oder geschenkt bekommen. Das Release habe ich, wie es sich gehört, in linken, selbstorganisierten Strukturen gefeiert, getragen durch meine Freundinnen und mich, natürlich im Rauchhaus, wie soll es anders sein. Der Erlös floss in Kosten, die für Menschen entstanden sind, welche sich durch Besetzungen gegen die Gentrifizierung in Berlin wehrten. Auf dem Album ist ein Lied, mit dem Namen „Rio“. Denn für mich ist er eben besonders prägend, besonders wichtig, musikalisch einzigartig und ich wollte ihm ein Denkmal in meiner Musik setzen, in weiter leben lassen und mit ihm auch den Kampfgeist, den wir alle auf dieser Welt im Jahre 2020, in der Gegenwart von Klimawandel und Krieg so dringend brauchen.Ich setzte mich für politische Dinge ein und trete fast ausschließlich auf Solipartys auf, um mit der Musik zu unterstützen. Für die Rote Hilfe in Wien oder ein feministisches Hausprojekt. Leider ist so eben Geld oft nicht da, um weiter zu produzieren. Ich verdiene zwar kaum mit der Musik, aber Mastering oder Recording kostet mich dann ja leider trotzdem Geld. Ich bin ehrlich, mein Lied „Rio“ gab es, bevor ich von dem Contest erfuhr. Aber ich fand es einfach einen lustiges Zufall und tatsächlich passt das Lied ja auch ohne das Motto vorher zu kennen, ganz gut. Außerdem bin ich eine Kämpferin und ich gebe den Dingen eine Chance. In einem meiner ersten WG-Zimmer habe ich rießig groß und mit schwarzer Farbe an die Wand geschrieben : „Wir haben nichts zu verlieren, außer unserer Angst.“ (aus: Der Traum ist aus/ Ton Steine Scherben) Das ist gewissermaßen mein Lebensmotto und in diesem Sinne verbleibe ich mit freundlichen und solidarischen Grüßen
Babsi Tollwut